Stromsteuersenkung statt Industriestrompreis - Bundestag (2)

Stromsteuersenkung statt Industriestrompreis

Die Bundesregierung hatte sich monatelang über Möglichkeiten gestritten, wie die Industrie bei den Strompreisen entlastet werden kann. Am 9. November 2023 konnte der Streit über einen Industriestrompreis innerhalb der Ampel-Koalition geschlichtet werden. Der Kompromiss sieht nun auch eine Stromsteuersenkung für das produzierende Gewerbe vor. Wie sieht das gesamte Maßnahmenpaket aus und wer profitiert davon?

Stromsteuersenkung auf 0,05 Cent/kWh für das produzierende Gewerbe

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Um eine alternative zum Industriestrompreis realisieren zu können, soll die Stromsteuer für das energieintensive produzierende Gewerbe auf das europäische Minimum gesenkt werden. Demnach wird die Stromsteuer für betroffene Betriebe von 1,537 Cent/kWh auf 0,05 Cent/kWh beschränkt. Die gesetzliche Regelung wird nun umgesetzt und soll mindestens für 2024 und 2025 gelten. Wenn sie weiter gegenfinanziert werden kann, soll sie weitere drei Jahre andauern. Neu ist, dass von der Stromsteuersenkung jetzt auch der Mittelstand profitiert, der bisher oft nicht den Spitzenausgleich geltend machen konnte. Grundvoraussetzung ist aber, dass der Betrieb dem statistischen Begriff „produzierenden und verarbeitenden Gewerbe“ zugeordnet wird.

Experten rechnen mit rd. 78.000 Unternehmen, die nun in den Genuss des niedrigen Satzes kommen. Darunter fallen jetzt auch beispielsweise Bäckereien, Metzgereien, holzverarbeitende Betriebe oder der Metallbau. Für alle anderen Gewerbetreibenden ändert der jüngste Beschluss nichts. Für sie gilt weiterhin der Steuersatz von 2,05 Cent/kWh. Dies betrifft z. B. auch energieintensive Textilreinigungen oder Betriebe des Kfz-Handwerks, da sie nicht zum „produzierenden Gewerbe“ zählen. Ob sich bei der Umsetzung des Kompromisses noch weitere Änderungen bzw. Ausweitungen durchsetzen lassen, ist noch offen.

Spitzenausgleich wird abgeschafft

Bisher erhielten viele größere Unternehmen im Rahmen des sog. Spitzenausgleiches nach § 10 StromStG bereits einen auf 1,537 Cent/kWh reduzierten Steuersatz. Diesen konnten Unternehmen bisher beantragen, wenn es dem produzierenden Gewerbe zugeordnet ist, mehr als 1.000 € Stromsteuer jährlich abführt, der Betrag höher ist als die Senkung des Arbeitgeberanteils zur Rentenversicherung aller Beschäftigten und sie ein Energiemanagementsystem oder ein Spitzenausgleich-Effizienzsystem (nach SpaEfV) eingeführt haben. Dieser Spitzenausgleich wird im Zuge des neuen Strompreispaketes ab 2024 abgeschafft.

Verlängerung der Strompreiskompensation um fünf Jahre

Zu der Stromsteuersenkung wird die Strompreiskompensation, die eigentlich jährlich um 10 % reduziert werden sollte, um weitere fünf Jahre verlängert. Profitieren werden hiervon etwa 350 Konzerne, die besonders unter hohen Strompreisen leiden. Weitere 90 Unternehmen kommen durch den sog. „Super-Cap“ hinzu. Diese finanzielle Unterstützung für indirekte CO₂-Kosten kann bei der DEHSt beantragt werden und basiert auf dem Emissionshandel. Sie zielt darauf ab, einen Teil dieser Kosten für Unternehmen in spezifischen Sektoren auszugleichen.

Das übergeordnete Ziel besteht darin, die internationale Wettbewerbsfähigkeit dieser Unternehmen zu sichern. Diese Maßnahme soll dazu beitragen, Produktionsverlagerungen in Länder außerhalb des EU-Emissionshandelssystems zu verhindern und somit die Verlagerung von CO₂-Emissionen zu minimieren. Nutznießer sind Unternehmen aus den Bereichen Papier & Zellstoffe, Eisen & Stahl, der Chemischen Industrie, Nichteisenmetalle, Mineralölverarbeitung, Mineralverarbeitende Industrie. Im Jahre 2021 wurden in diesem Rahmen 828 Millionen Euro Subventionen an Konzerne vergeben, die ein Umweltmanagementsystem nach ISO 50001 oder EMAS eingeführt und nach DIN EN 17463 (VALERI) investiert haben. Je nach Unternehmensgröße und Verbrauch können Hilfen auch nach der Einführung der ISO 50005, Energieaudits nach EN 16247-1 und Mitgliedschaft in Energieeffizienz- und Klimaschutznetzwerk beantragt werden.

Industriestrompreis zunächst vom Tisch, Stromsteuersenkung entlastet mehr Unternehmen

Die Beschlüsse der Bundesregierung, die nun umgesetzt werden sollen, bringen allein für 2024 Entlastungen von bis zu zwölf Milliarden Euro für Unternehmen, so Olaf Scholz zum Strompreispaket. Im Vergleich zu einem gedeckelten Industriestrompreis von 6 Cent/kWh hat die neue Regelung jedoch den Vorteil, dass dadurch die Anzahl der profitierenden Betriebe wesentlich größer sein wird. Die prognostizierte Gesamtentlastung für 2024 setzt sich zusammen aus:

  • 5,5 Milliarden Zuschuss für die Betreiber der Übertragungsnetze, die schon jetzt zusammen mit den Verteilnetzbetreibern eine Netzengelteerhöhung von über 10 % für 2024 planen.
  • Geschätzten Mindereinnahmen durch die gesenkte Stromsteuer für das produzierende Gewerbe
  • Geschätzten Ausgaben für die Verlängerung der Strompreiskompensation, da die Zertifikatpreise anziehen und den Strom aus fossilen Brennstoffen verteuern.

Tatsächlich hätten lt. BMWK nur etwa 2.000 Unternehmen mit einem Gesamtverbrauch von 216 TWh aus den Branchen Stahl, Aluminium, Chemie, Kupfer, Glas, Papier und Zement einen günstigen Industriestrompreis erhalten. Die Stromsteuersenkung als Kompromiss betrifft jetzt weitaus mehr Betriebe, auch wenn sie den Strom nicht entscheidend verbilligen kann: Allein der Wegfall der EEG-Umlage in 2022 verringerte den Strompreis um über 6 Cent/kWh.

Ohne Industriestrompreis und mit Stromsteuersenkung bleibt Deutschland im europäischen Mittelfeld

Seit dem Beginn des Ukrainekrieges bis Ende 2022 ist der Brutto-Strompreis für die Industrie in Deutschland nur geringfügig von 21,81 auf 25,24 Cent/kWh gestiegen. In der gesamten EU ist er im gleichen Zeitraum durchschnittlich von 15,23 auf 24,95 Cent/kWh gestiegen. Somit liegt Deutschland auch nach einer Stromsteuersenkung um etwa 1,5 Cent/kWh weiterhin im Mittelfeld. Die stärksten Zuwächse hatten Dänemark, Italien, Ungarn, Belgien, Schweden und Kroatien zu verzeichnen. Hier haben sich die Industriestrompreise seit Februar 2022 quasi verdoppelt.

In Norwegen sind die Preise von 6,03 auf 26,63 Cent/kWh explodiert und die USA verzeichneten immerhin einen Anstieg von 5,36 auf 7,36 Cent/kWh. Spätestens mit dem Inkrafttreten des Europäischen CO2-Grenzausgleichssystems (CBAM), das ab dem 1. Januar 2026 greifen soll, wird die Verlagerung einer CO2-intensiven Produktion in das nicht europäische Ausland für Reimporte auch nicht mehr attraktiv sein. Denn dann müssen Importeure die Differenz der CO2-Bepreisung zwischen der Herstellungsregion und der EU ausgleichen.

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