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Reform der Stromnetzentgelte

Reform der Stromnetzentgelte: Bundesnetzagentur eröffnet Debatte

Am 12. Mai 2025 hat die Bundesnetzagentur ein zentrales Verfahren zur Reform der Stromnetzentgelte gestartet und eröffnet die Debatte durch ein 57seitiges Diskussionspapier. Damit wird der Rahmen der „Allgemeinen Netzentgeltsystematik Strom“ (AgNeS) festgelegt, um eine zukunftsfähige, faire und marktkonforme Systematik für Netzentgelte entwickeln zu können. Hintergrund ist ein notwendiger Systemwechsel infolge eines Urteils des Europäischen Gerichtshofs sowie der tiefgreifenden Veränderungen im Energiesystem.

Weshalb ist die Reform der Stromnetzentgelte notwendig?

Die geltende Stromnetzentgeltverordnung (StromNEV), die bislang die Bildung der Netzentgelte regelt, tritt zum 31.12.2028 außer Kraft. Bereits im Jahr 2021 hatte der Europäische Gerichtshof entschieden, dass die auf Rechtsverordnungen der Bundesregierung basierende Regulierung gegen europarechtliche Vorgaben – insbesondere die Elektrizitätsbinnenmarktrichtlinie – verstößt. Zusätzlich urteilte der EuGH, dass den Regulierungsbehörden der Mitgliedsstaaten mehr Autonomie gewährt werden müsse. Dem kam die Bundesregierung bereits 2024 in einer Novelle des Energiewirtschaftsgesetzes (EnWG) nach. Die Bundesnetzagentur muss daher eigenständig und unabhängig über die Struktur der Netzentgelte entscheiden.

Gleichzeitig hat sich das Energiesystem in den vergangenen zwei Jahrzehnten grundlegend verändert. Die Integration der erneuerbaren Energien, mit ihrer zunehmenden dezentralen Energieerzeugung, Digitalisierung und Flexibilisierung, stellt neue Anforderungen an das Entgeltsystem. Das bisherige Modell stößt dabei zunehmend an seine Grenzen und die Kosten für den dringend notwendigen Netzausbau beziffern Experten mittleiweile auf fast 700 Milliarden Euro. Ziel der Reform ist es, marktdienliche Anreize zu schaffen, kostengerechte Allokation sicherzustellen und Investitionen effizient zu lenken – insbesondere in einem System mit wachsender Zahl an Prosumern, Speichern, steuerbaren Verbrauchseinrichtungen und volatiler Einspeisung.

Was steht bei der Reform der Stromnetzentgelte zur Diskussion?

In dem jetzt vorgelegten Diskussionspapier stellt die Bundesnetzagentur zahlreiche Optionen vor, wie das Entgeltsystem künftig gestaltet werden könnte. Der Fokus liegt zunächst auf einer grundlegenden Neustrukturierung der Netzentgelte für Verteil- und Übertragungsnetzbetreiber. Grundsätzlich stehen dabei auch die bisherigen Sonderregelungen wie individuelle Netzentgelte gemäß § 19 Abs. 2 StromNEV, Entgelte gemäß § 14a EnWG oder vermiedene Netzentgelte nach § 18 StromNEV zur Debatte. In der jetzt startenden Diskussion behält sich die Behörde zwar noch vor, später Sonderrabatte zu gewähren, aber sie hatte bereits angekündigt zumindest das Bandlast-Privileg zu 2026 auslaufen zu lassen.

Weitere Diskussionspunkte sind:

Beteiligung von Einspeisern an Netzkosten: Derzeit zahlen in Deutschland ausschließlich Letztverbraucher Netzentgelte. Die Bundesnetzagentur stellt zur Diskussion, ob auch Betreiber von Erzeugungsanlagen – analog zu anderen europäischen Ländern – künftig zur Finanzierung des Netzausbaus herangezogen werden sollten. Möglich wären einspeiseabhängige Entgelte oder ein pauschales Grundnetzentgelt für Einspeiser.

Einführung neuer Entgeltkomponenten: Derzeit sind alle Entgelte oberhalb der Niederspannung rein verbrauchsabhängig, obwohl der Verbrauch nicht zwangsläufig der Kostentreiber ist. Vorschläge umfassen pauschale Grundpreise, Kapazitätspreise oder eine direkte Bepreisung der bestellten Netzanschlusskapazität.

Stärkere Berücksichtigung von Prosumern: Im Bereich der Niederspannung könnte der Grundpreisanteil für Prosumer erhöht werden, um deren Netznutzung fairer abzubilden und eine angemessene Beteiligung an den Netzkosten zu sichern.

Dynamische Netzentgelte: Die Einführung zeit- und ortsvariabler Entgelte, die sich an der tatsächlichen Netzlast orientieren, wird als langfristige Option betrachtet. Voraussetzung dafür wäre jedoch eine nahezu vollständige Digitalisierung von Netz und Netznutzern. Erste Ansätze existieren in der Festlegung zu steuerbaren Verbrauchseinrichtungen.

Spezifische Regelungen für Speicher: Die Bundesnetzagentur betont, dass Stromspeicher bzw. Batteriegroßspeicher eine wichtige Rolle für die Systemstabilität spielen. Die netzdienliche Einbindung von Speichern soll daher gezielt adressiert werden. Eine differenzierte Entgeltregelung für Speicher ist ebenfalls Teil des Diskussionspapiers.

Warum diese Reform so wichtig ist

Laut Klaus Müller, Präsident der Bundesnetzagentur, geht es bei der Reform um weit mehr als technische Details:

„Erstens wird die Zahl der Nutzer immer kleiner, die in voller Höhe Entgelte zahlen – bei gleichzeitig steigenden Kosten. Zweitens fehlen ausreichend wirksame Signale, wie und wo Anlagen kostengünstig betrieben werden können. Drittens gibt es im System heute keine Anreize, die flexibles Verhalten belohnen – eher im Gegenteil.“

Das Ziel sei ein leistungsfähiges, zukunftstaugliches Netzentgeltsystem, das die Energiewende nicht behindert, sondern aktiv unterstützt. Die Entwicklung dieses Systems soll ergebnisoffen, transparent und unter breiter Beteiligung aller Stakeholder erfolgen.

Wie geht die Reform der Stromnetzentgelte weiter?

Der Reformprozess startet mit einem ersten Branchenworkshop am 2. und 3. Juni 2025. Marktteilnehmer können ihre Stellungnahmen zum Diskussionspapier bis zum 30. Juni 2025 einreichen. Weitere Fachveranstaltungen und Austauschformate sollen folgen. Die Bundesnetzagentur plant, auf dieser Grundlage in den kommenden Jahren eine oder mehrere verbindliche Festlegungen zu erlassen, die die bisherigen Regelungen der StromNEV schrittweise ersetzen.

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