Die Bundesnetzagentur hat eine Reform der Netzentgeltrabatte für die Industrie zum 1. Januar 2026 angekündigt. Damit möchte die Behörde die Anreize für ein flexibles und systemdienliches Verbrauchsverhalten der Industrieunternehmen in Deutschland erhöhen, um den Herausforderungen eines Stromsystems mit hohen Anteilen erneuerbarer Energien gerecht zu werden. Diese beabsichtigte Neuregelung passt inhaltlich zu den geplanten Reformen der Wachstumsinitiative, könnte aber erhebliche Auswirkungen auf den Strommarkt und die Energiewende haben.
Weshalb ist die Reform der Netzentgeltrabatte notwendig?
Der bestehende Ansatz zur Berechnung der Netzentgelte basiert auf einem Stromsystem, das von konstanter Stromerzeugung durch Kohle- und Atomkraftwerke geprägt ist. Bisher erhalten Industrieunternehmen Rabatte auf ihre Stromnetzentgelte, wenn sie ihren Stromverbrauch stabil halten oder zu Zeiten mit geringer Netzbelastung steigerten. Die Bundesnetzagentur empfiehlt daher, die Bandlast und Bandstrom Regelung (auch bekannt als “7.000-Stunden-Regel”) sowie die Vergünstigungen bei der atypischen Netznutzung auslaufen zu lassen. Von diesen Netzentgeltrabatten nach § 19 Abs. 2 StromNEV profitierten zurzeit gut 4.500 Unternehmen und sparen dabei insgesamt eine Milliarde Euro jährlich.
Mit dem zunehmenden Anteil der volatilen erneuerbarer Energien im deutschen Strommix, der im Jahre 2024 bereits auf fast 60 Prozent gestiegen ist, passen diese starren Regeln jedoch nicht mehr, ist die Ansicht der Bundesnetzagentur. Insgesamt müsse der Verbrauch der Industrie flexibler und die Residuallast minimiert werden. Grundsätzlich wird es weiterhin Netzentgeltprivilege geben. Diese werden aber künftig nur an Unternehmen vergeben, die ihre Stromverbräuche dynamisch und aktuell anpassen können.
Klaus Müller, Präsident der Bundesnetzagentur, betont, dass „die alten Netzentgeltrabatte nicht mehr den Anforderungen eines Stromsystems entsprechen, das von hohen Anteilen erneuerbarer Stromerzeugung geprägt ist“. Daher ist ein Übergang von einem starren zu einem flexiblen System notwendig, das sich an das aktuelle Stromangebot anpasst.
Reformeckpunkte der Netzentgeltrabatte für die Industrie
Die Reform sieht demnach vor, dass stromintensive Unternehmen ihre Netzentgelte senken können, wenn sie ihren Verbrauch an das aktuelle Stromangebot anpassen. Maßstab soll dabei der ständig schwankende Börsenstrompreis sein. Das bedeutet, dass Unternehmen ihre Netzentgelte senken können, wenn sie ihren Stromverbrauch zu dem Zeitpunkt erhöhen, an dem viel erneuerbarer Strom im Netz verfügbar ist, und umgekehrt. Diese Regelung soll Anreize schaffen, die Produktion in Zeiten eines hohen Stromangebots zu erhöhen und in Zeiten knappen Angebots zu drosseln. Hauptparameter der neuen Netzentgeltrabatte wird demnach die Höhe der individuellen Lastveränderung nach den gestaffelten Day-ahead Stundenpreisen an der Strombörse.
Simone Peter, Präsidentin des Bundesverbands Erneuerbare Energie (BEE), lobt diesen Ansatz der Reform der Netzentgeltrabatte für die Industrie. Sie meinte, „durch die Netzentgelte sollen Signale an industrielle Verbraucher gesendet werden, sich marktdienlich und systemisch zu verhalten.“ Dies könne Preisschwankungen am Strommarkt reduzieren, die Netze entlasten und Kosten senken.
Umsetzung und Herausforderungen für die Neuregelung der Netzentgeltrabatte
Wie ein technisches System entwickelt werden kann, das es der Industrie ermöglicht, flexibel auf Strommengen- und Preisentwicklungen zu reagieren, wird in den kommenden Monaten erörtert. Die Bundesnetzagentur möchte im ersten Schritt die Industrie dabei nicht überfordern und wird auch Übergangsfristen gewähren. Anfangs möchte sie auf diese Weise vielmehr Impulse schaffen, um die Verbräuche agiler steuern zu können. Das trägt mittel- und langfristig dazu bei, die Stromnetze zu entlasten und die Kosten für den Netzausbau zu reduzieren. Dazu hat die Bundesnetzagentur auch vorgesehen, regionale Ausnahmen zu schaffen, wo nötig, und Übergangsregelungen zu gewähren, um eine schrittweise Anpassung zu ermöglichen.
Die Reform als Baustein der neuen deutschen Energiestrategie
Die Reform der Netzentgeltrabatte für die Industrie durch die Bundesnetzagentur ist ein wichtiger Schritt zur Flexibilisierung des Stromverbrauchs und damit zur Unterstützung der Energiewende in Deutschland. Indem sie Anreize für ein systemdienliches Verbrauchsverhalten schafft, kann sie dazu beitragen, die Herausforderungen eines Stromsystems mit hohen Anteilen erneuerbarer Energien zu meistern.
In die gleiche Richtung stößt die neue Debatte um einen deutschen Kapazitätsmarkt im Rahmen der Wachstumsinitiative oder das geplante Kraftwerkssicherheitsgesetz. Bausteine der neuen Strategie zur Sicherung der künftigen Stromversorgung finden sich auch in dem jüngst neu aufgelegten Programm „Nutzen statt abregeln 2.0“. Aber auch dieses, kann den dringend notwendigen Netzausbau nicht ersetzen, sondern nur abfedern.
Wie geht es mit den Netzentgeltrabatten weiter?
Die öffentliche Konsultation des Eckpunktepapiers läuft noch bis zum 18. September 2024. Nach den Eingaben der verschiedenen Verbände und energieintensiven Industrien erfolgt die gesetzliche Ausarbeitung. Die endgültigen Regelungen sollen Anfang 2026 in Kraft treten.