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Kapazitätsmarkt: Schlüssel zur Energiewende?

Die Bundesregierung erwähnt erstmals in den Plänen zum Kraftwerksicherheitsgesetz und zur Entwicklung des Strommarktes eine Umstellung auf einen technologieunabhängigen Kapazitätsmarkt. Kapazitätsmärkte gewinnen in Europa, das zunehmend auf nachhaltige Energiequellen umschwenkt, an Bedeutung. Doch was bedeutet ein Kapazitätsmarkt genau? Einfach ausgedrückt, ist dies ein Mechanismus, der darauf ausgelegt ist, die Zuverlässigkeit des Stromnetzes zu gewährleisten, indem sichergestellt wird, dass immer genug Kapazität vorhanden ist, um die Nachfrage zu decken – sei es durch konventionelle Kraftwerke oder erneuerbare Energien.

Die Notwendigkeit eines solchen Marktes ergibt sich aus den Schwankungen in der Energieerzeugung, insbesondere bei erneuerbaren Energiequellen, und der immer größer werdenden Nachfrage nach Strom. Zudem verschärft sich die Lage in Deutschland mit dem Atomausstieg im Jahr 2023 und dem geplanten Kohleausstieg. Bisher wird nämlich die kurzfristige Stabilität der deutschen Netze durch Regelenergiemärkte und andere Mechanismen wie der Netz- und Kapazitätsreserve sichergestellt.

Definition und Grundlagen des Kapazitätsmarktes

Was ist ein Kapazitätsmarkt?

Ein Kapazitätsmarkt ist ein spezifisches Marktdesign im Stromsektor, das dazu dient, die Zuverlässigkeit der Stromversorgung sicherzustellen. In einem Kapazitätsmarkt erhalten Energieerzeuger und andere Kapazitätsanbieter Zahlungen nicht nur für die tatsächliche Lieferung von Strom, sondern auch für die Bereitstellung und Vorhaltung von Erzeugungskapazitäten. Sie werden finanziell dafür entlohnt, dass sie zu bestimmten Zeiten oder in Notfällen Strom liefern können, selbst wenn dieser Strom letztlich nicht abgerufen wird.

Funktion und Ziele eines Kapazitätsmarktes

Stromerzeuger verpflichten sich, zu bestimmten Zeiten, insbesondere während der Spitzenlastzeiten, eine festgelegte Menge an Energie bereitzustellen. Für diese Bereitstellung erhalten sie eine Vergütung, bekannt als Kapazitätszahlung, die unabhängig davon erfolgt, ob die Kapazität zur Stromerzeugung genutzt wird. Diese finanziellen Anreize sollen sicherstellen, dass genügend Kapazitäten vorhanden sind, um Spitzenlasten abdecken zu können. Dies gilt besonders für die Zeiten hoher Nachfrage oder wenn die Verfügbarkeit anderer Energiequellen eingeschränkt ist.

Unterschiede zwischen Kapazitätsmarkt und Energy-Only-Markt

Der Kapazitätsmarkt steht konzeptionell dem Energy-Only-Markt gegenüber. Im Energy-Only-Markt werden Erzeuger ausschließlich für die tatsächlich gelieferte Energie, also den produzierten Strom, bezahlt. Hierbei handelt es sich demnach um ein reines Vergütungssystem. Dieses Marktdesign führt dazu, dass Investitions- und Betriebskosten hauptsächlich durch den Verkauf des produzierten Stroms gedeckt werden müssen. Im Gegensatz dazu ermöglicht der Kapazitätsmarkt eine Refinanzierung der Investitionen (Capex) für den Bau von Kraftwerken sowie der Betriebskosten (Opex) über die Kapazitätszahlungen. Dies ist unabhängig von ihrer tatsächlichen Stromproduktion. Solch ein System fördert Investitionen in neue Kraftwerke und unterstützt die Stabilität des Stromnetzes.

Geschichte und Entwicklung des Kapazitätsmarktes

Historischer Hintergrund

Die Entwicklung von Kapazitätsmärkten in Europa wurde maßgeblich durch die Schwankungen in der Energieerzeugung und die steigende Nachfrage nach Strom vorangetrieben. Besonders die zunehmende Integration erneuerbarer Energien in das Stromnetz stellte die traditionellen Energiemärkte vor Herausforderungen. Im Rahmen des „Clean Energy for all Europeans Package“ (CEP) legte die Europäische Union im Jahr 2019 konkrete Regeln für die Einführung und Ausgestaltung von Kapazitätsmechanismen fest. Diese beinhalteten unter anderem eine Obergrenze von 550 Gramm pro kWh (g/kWhel) bzw. auf 350 kg pro kW und Jahr, was den Ausschluss von Kohlekraftwerken zur Folge hatte.

Politische Diskussionen und Reformprozesse

In den letzten Jahren wurden Kapazitätsmechanismen in der EU intensiv diskutiert. Die rechtlichen Rahmenbedingungen, die durch das CEP eingeführt wurden, zielten auf einen offenen und wettbewerbsorientierten Vergabeprozess ab. Diese Regelungen forderten, dass neben konventionellen Kraftwerken auch erneuerbare Energieträger, Speicher und Demand Side Management berücksichtigt werden müssen. Länder wie Italien haben ihre Mechanismen entsprechend angepasst, indem sie die CO₂-Obergrenze im Juni 2019 einführten. Andere Länder, die bereits aktive Kapazitätsmärkte hatten, wie Frankreich, Großbritannien, Irland und Polen, mussten ihre zukünftigen Auktionen an die neuen Vorgaben anpassen.

Europäische Modelle & Erfahrungen

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Die Kapazitätsmärkte in den anderen europäischen Ländern sind in der Regel durch zentrale jährliche Auktionen organisiert, bei denen eine festgelegte Kapazitätsmenge nachgefragt wird. Anbieter können Betreiber von Kraftwerken, Speichern oder Laststeuerungen sein. Die Auktionen finden vier Jahre (T-4) bzw. ein Jahr (T-1) vor Beginn der Vertragslaufzeit statt, und die Verträge haben unterschiedliche Laufzeiten, je nach Anlageart. Bei den Auktionsformaten wird zwischen „Pay-as-bid“ (Bieter erhalten den Preis ihres Gebots) oder „Pay-as-cleared“ (alle erfolgreichen Bieter erhalten den gleichen Preis) unterschieden.

Die T4-Vertragslaufzeiten variieren auf den verschiedenen europäischen Kapazitätsmärkten zwischen 10 und 17 Jahren. In dieser Zeit erhalten die Anbieter eine fixe Vergütung pro Megawatt und Jahr, müssen aber auch bestimmte Verfügbarkeitsanforderungen erfüllen. Emissionslimits schließen Anlagen mit hohem CO₂-Ausstoß von der Teilnahme aus und fördern die Umstellung auf umweltfreundlichere Technologien.

Anforderungen an einen deutschen Kapazitätsmarkt

Basierend auf den bestehenden europäischen Modellen, sind für ein erfolgreiches Kapazitätsmarktdesign in Deutschland weitere Aspekte von Bedeutung. Der Derating-Faktor spielt eine wichtige Rolle, da er die Kapazitätsbewertungen basierend auf der Verfügbarkeit und Zuverlässigkeit der Anlagen anpasst. Zudem ist es wesentlich, die Anlagenverfügbarkeit und die Refinanzierung sicherzustellen, sodass die Anlagen tatsächlich einsatzbereit sind und finanziell abgesichert werden können.

Ein weiterer wichtiger Punkt ist die lokale Verteilung der Anlagen, um regionale Engpässe zu vermeiden und eine ausgewogene geografische Verteilung zu gewährleisten. Die Vertragslaufzeiten und Auktionshorizonte sollten differenziert gestaltet und rechtzeitig angesetzt werden, um den Teilnehmern ausreichend Planungssicherheit zu bieten. Schließlich muss auch die Anlagendegradation berücksichtigt werden, um die Alterung und Leistungsabnahme der Erzeugeranlagen in das Marktdesign einzubeziehen.

Vorteile des Kapazitätsmarktes

Förderung von Investitionen

Der Kapazitätsmarkt bietet eine solide Grundlage für Investitionen in die Energieinfrastruktur. Durch die Bereitstellung von Kapazitätszahlungen werden Investoren ermutigt, in neue Technologien und Kraftwerke zu investieren. Dies ist besonders wichtig in Zeiten, in denen der Bedarf an zuverlässiger Energieversorgung steigt. Die Aussicht auf stabile Einnahmen durch Kapazitätszahlungen verringert das finanzielle Risiko und fördert somit die Bereitschaft, in langfristige Projekte zu investieren. Ein Beispiel hierfür ist der belgische Kapazitätsmarkt, der als effektives Modell für die Auktionierung der benötigten Kapazitäten angesehen wird und alle Betreiber gesicherter Leistungen zur Teilnahme einlädt.

Sicherung der Versorgungssicherheit

Ein zentraler Vorteil des Kapazitätsmarktes ist die Erhöhung der Versorgungssicherheit. Durch die Vorhaltung von ausreichenden Kapazitäten wird sichergestellt, dass auch in Spitzenlastzeiten eine zuverlässige Stromversorgung gewährleistet ist. Dies ist besonders relevant in einem Energiemarkt, der zunehmend durch erneuerbare Energien geprägt ist, welche oft durch ihre Volatilität herausfordern. Kapazitätsmärkte helfen, diese Unsicherheiten zu managen, indem sie die Verfügbarkeit von Energiequellen sicherstellen, die schnell aktiviert werden können, wenn die Erzeugung aus erneuerbaren Quellen nicht ausreicht.

Unterstützung der Energiewende

Kapazitätsmärkte spielen eine entscheidende Rolle bei der Unterstützung der Energiewende hin zu einer klimaneutralen Wirtschaft. Sie ermöglichen es, dass auch erneuerbare Energien und innovative Technologien wie Wasserstoff-Kraftwerke und Batteriespeicher in das System integriert werden können. Durch den Wettbewerb zwischen verschiedenen Technologien wird nicht nur die Entwicklung effizienter und kosteneffektiver Lösungen gefördert, sondern auch die Integration von erneuerbaren Energien in das Stromnetz unterstützt. Dies trägt dazu bei, die CO₂-Emissionen zu senken und die Klimaziele zu erreichen.

In der Gesamtheit bieten Kapazitätsmärkte eine robuste Lösung, um die Herausforderungen der modernen Energieversorgung effektiv zu adressieren. Sie fördern die Investitionen in zukunftsfähige Technologien, sichern die Versorgung in Zeiten hoher Nachfrage und unterstützen aktiv die Transformation des Energiesektors hin zu nachhaltigeren Praktiken.

Herausforderungen und Kritik am Kapazitätsmarkt

Kosten für Energieverbraucher

Die Einführung eines Kapazitätsmarktes ist mit erheblichen Risiken verbunden, die sich direkt auf die Energieverbraucher auswirken können. Unabhängig vom spezifischen Modell sind die Regelungsbedarfe und die Komplexität von Kapazitätsmärkten hoch. Diese Faktoren führen zu einer signifikanten Erhöhung der Kosten für die Stromversorgung. Gutachter haben im Auftrag des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie bereits erhebliche Mehrkosten prognostiziert, selbst unter optimalen Bedingungen. Angesichts der Komplexität und der vielfältigen Risiken erscheint es unrealistisch, ein perfektes Kapazitätsmarktdesign zu erwarten, was zusätzlich zu den Belastungen durch die Förderung erneuerbarer Energien zu weiteren erheblichen Mehrkosten für die Verbraucher führen könnte.

Potenzielle Überkapazitäten

Ein weiteres kritisches Thema ist die Schaffung und der Erhalt von Überkapazitäten. Kapazitätsmärkte können dazu führen, dass Kraftwerke, die sonst aus dem Markt ausscheiden würden, künstlich am Leben erhalten werden. Dies verhindert den Abbau von Überkapazitäten und verhindert, dass der Markt eigenständige Preissignale aussendet, die sonst Investitionen in Kraftwerke und andere Flexibilitätsoptionen anregen könnten. Solche Marktverzerrungen können langfristig zu ineffizienten Allokationen und erhöhten Kosten führen.

Wettbewerbsverzerrungen

Die Einführung nationaler Kapazitätsmärkte steht im Widerspruch zum Ziel eines europäischen Strombinnenmarktes. Dieser Widerspruch führt zu erheblichen Wettbewerbsverzerrungen innerhalb Europas. Die Diskussionen um Kapazitätsmärkte haben gezeigt, dass keines der in Deutschland diskutierten Modelle bisher ein schlüssiges Konzept zur Einbindung in den Binnenmarkt enthält. Die positiven volkswirtschaftlichen Effekte der Integration der europäischen Strommärkte könnten durch solche nationalen Mechanismen zumindest teilweise verloren gehen. Der Wettbewerb der Stromerzeuger wird verzerrt, und es entsteht ein Wettbewerb der nationalen Fördersysteme, was die Idee des Binnenmarktes untergräbt.

Fazit zu Kapazitätsmärkten

In der Auseinandersetzung mit den vielschichtigen Herausforderungen und Möglichkeiten, die der Kapazitätsmarkt mit sich bringt, lässt sich zusammenfassen, dass dieser eine tragende Rolle in der Transformation des Energiesektors spielt. Er fördert nicht nur Investitionen in nachhaltige Technologien und sichert die Versorgungssicherheit in Zeiten schwankender Energieproduktion, sondern trägt auch maßgeblich zur Umsetzung der Energiewende bei. Diese Dynamik verdeutlicht, dass trotz der Herausforderungen und kritischen Stimmen, Kapazitätsmärkte als ein essenzieller Baustein der zukünftigen Energieversorgung sein können.

Dessen ungeachtet sind die dargelegten Bedenken wie potenzielle Überkapazitäten, Kosten für die Verbraucher und die Wettbewerbsverzerrungen nicht zu unterschätzen. Es unterstreicht die Notwendigkeit einer sorgfältigen Planung, Implementierung und fortwährenden Anpassung der Kapazitätsmärkte, um ihre Vorteile maximal ausschöpfen zu können, ohne dabei negative Konsequenzen außer Acht zu lassen. Um diese Ziele zu erreichen, ist eine verstärkte Zusammenarbeit auf europäischer Ebene ebenso entscheidend wie die Einbeziehung aller relevanten Akteure des Energiemarkts. In dieser Hinsicht dürfte der Kapazitätsmarkt weiterhin ein zentraler Diskussionsgegenstand bleiben, um zuverlässige, nachhaltige und kosteneffiziente Energieversorgungslösungen zu entwickeln und umzusetzen.

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