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Negative Strompreise als Herausforderung & Chance

Negative Strompreise entstehen, wenn das Angebot an Strom die Nachfrage deutlich übersteigt und nicht genügend Speicherkapazitäten vorhanden sind. Besonders häufig tritt dieses Phänomen bei hoher Einspeisung erneuerbarer Energien, geringer Nachfrage und mangelnder Flexibilität konventioneller Kraftwerke auf. Erstmals gab es negative Strompreise 2008 an der European Energy Exchange (EEX), die eng mit der Energiewende verknüpft sind.

Entstehung von negativen Strompreisen

An Tagen mit starkem Wind oder intensiver Sonneneinstrahlung erzeugen Wind- und Solaranlagen große Mengen Strom, der nicht immer vollständig abgenommen wird. Da diese Energiequellen variable Betriebskosten nahe Null haben, können sie auch bei sehr niedrigen Preisen noch wirtschaftlich Strom einspeisen. Sie haben jedoch den entscheidenden Vorteil, dass sie sich sekündlich abregeln lassen, sofern sie fernsteuerbar sind.

Gleichzeitig zeigen konventionelle Kraftwerke, insbesondere Kern- oder Kohlekraftwerke, eine mangelnde Flexibilität in ihrer Produktion. Diese Anlagen können nicht schnell genug auf Schwankungen in der Nachfrage oder im Angebot erneuerbarer Energien reagieren. Aus technischen und wirtschaftlichen Gründen ist es für sie oft günstiger, weiter zu produzieren und negative Preise in Kauf zu nehmen, als die Anlagen herunterzufahren und später wieder hochzufahren.

Gerade während geringe Verbrauchszeiten, wie etwa nachts, an Feiertagen oder Wochenenden, ist aber die industrielle Stromnachfrage sehr gering, sodass ein Überschuss im Netz entsteht. Da der Strommarkt traditionell an den erwarteten Verbrauch angepasst ist, kommt es bei einer stark schwankenden Erzeugung erneuerbarer Energien zu Ungleichgewichten.

In solchen Situationen zahlen Netzbetreiber bzw. Versorgungsunternehmen zeitweise sogar dafür, dass Strom abgenommen wird – insbesondere auf kurzfristigen Handelsmärkten wie dem Day-Ahead- und Intraday-Markt. Dieses Phänomen verdeutlicht die Herausforderungen eines zunehmend erneuerbaren Energiesystems und die Notwendigkeit flexibler Lösungen wie Speichern oder einer intelligenteren Verbrauchssteuerung.

Marktmechanismen des Strommarktes

Die Entstehung negativer Strompreise ist eng mit den Mechanismen des Strommarktes verknüpft, insbesondere mit dem Day-Ahead- und dem Intraday-Markt.

Der Day-Ahead-Markt ist der wichtigste kurzfristige Handelsplatz für Strom. Hier werden Strommengen für den nächsten Tag gehandelt. Stromerzeuger und -händler geben Angebote ab, wie viel Strom sie zu welchem Preis liefern oder abnehmen möchten. Diese Gebote werden dann in einem Auktionsverfahren zusammengeführt, um den Strompreis für jede Stunde des folgenden Tages zu ermitteln. Wenn das Angebot die Nachfrage deutlich übersteigt, können hier negative Preise entstehen.

Der Intraday-Markt ermöglicht den Handel von Strom am selben Tag der Lieferung, oft bis kurz vor der tatsächlichen Einspeisung oder Entnahme. Dieser Markt dient dazu, kurzfristige Schwankungen auszugleichen, die nach dem Day-Ahead-Handel auftreten können, etwa durch unerwartete Wetteränderungen oder Kraftwerksausfälle. Auch hier können negative Preise auftreten, wenn ein plötzlicher Überschuss entsteht.

Die Preisbildung an beiden Märkten folgt dem Prinzip von Angebot und Nachfrage. In Situationen mit Überangebot sind einige Erzeuger bereit, negative Preise zu akzeptieren, um ihre Produktion aufrechtzuerhalten. Dies kann wirtschaftlich sinnvoll sein, wenn die Kosten für das Herunter- und spätere Wiederanfahren der Anlagen höher wären als der kurzfristige Verlust durch negative Preise.

Die European Power Exchange (EPEX SPOT)

Strombörsen wie die European Power Exchange (EPEX SPOT) spielen ebenfalls eine zentrale Rolle bei dieser Preisbildung. Sie bieten die Plattformen für den Handel und sorgen für Transparenz und Liquidität im Markt. Die an diesen Börsen ermittelten Preise dienen oft als Referenz für andere Stromhandelsgeschäfte und -verträge. Die Möglichkeit negativer Strompreise an diesen Märkten wurde bewusst eingeführt, um Flexibilität im System zu fördern und Anreize für eine bedarfsgerechte Produktion zu schaffen. Das bisherige Strommarktdesign, das für die Integration erneuerbarer Energien, Netzstabilität und Versorgungssicherheit sorgen soll, steht allerdings zur Diskussion und in Deutschland diskutiert man offen über einen Kapazitätsmarkt.

Häufigkeit und Zeiten negativer Strompreise

Die Häufigkeit negativer Strompreise hat nicht nur in Deutschland in den letzten Jahren deutlich zugenommen, was die wachsenden Herausforderungen bei der Integration erneuerbarer Energien in das Stromnetz widerspiegelt. Für das Jahr 2024 wurden insgesamt 457 Stunden mit negativen Strompreisen verzeichnet. Diese Zahl ist bemerkenswert und zeigt, dass negative Strompreise kein seltenes Phänomen mehr sind, sondern zu einer regelmäßigen Erscheinung im deutschen Strommarkt geworden sind.

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Im Laufe eines Jahres treten negative Strompreise meist in Monaten mit vielen Feiertragen auf. Besonders auffällig sind dabei Mai und Dezember. Obwohl die Stromproduktion von Photovoltaikanlagen im Sommer besonders stark ist, gibt es zwischen Juni und Oktober eher selten negative Preise. Die Monate Januar bis April liegen im Mittelfeld. Der Monat mit der geringsten Wahrscheinlichkeit für dieses Phänomen ist der November. Die hohe Stromproduktion von PV-Anlagen spiegelt sich jedoch klar im Tagesverlauf wider. Besonders häufig gibt es nämlich negative Strompreise zwischen 12 und 17 Uhr. Abends steigen die Strompreise meist wieder an, da die Sonne untergeht und die Einspeisung aus Photovoltaikanlagen stark zurückgeht. Gleichzeitig nimmt der Stromverbrauch in den Abendstunden zu, da Haushalte und Unternehmen vermehrt elektrische Geräte nutzen.

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Auswirkungen negativer Strompreise

Negative Strompreise beeinflussen den gesamten Energiesektor. Konventionelle Kraftwerke erleiden Verluste, wenn sie ihre Produktion nicht wirtschaftlich reduzieren oder stoppen können. Erneuerbare Energien sind bisher oft durch Fördermodelle geschützt, könnten aber auch langfristig unter sinkenden Marktpreisen leiden. Dies fördert zwar Investitionen in flexible Erzeugung und Speichertechnologien, signalisiert Netzbetreibern aber, dass der Netzausbau unausweichlich wird und intelligente Steuerungssysteme erfordert.

Verbraucher mit dynamischen Tarifen können profitieren, indem sie ihren Stromverbrauch in diese Zeiten verlagern. Langfristig könnten jedoch höhere Systemkosten über Netzentgelte auf alle umgelegt werden. Zudem treiben negative Strompreise Innovationen wie Smart-Grid-Technologien und flexible Verbrauchsmodelle voran. Sie verdeutlichen die Notwendigkeit, Erzeugung, Verbrauch und Speicherung besser zu integrieren.

Regulatorische Maßnahmen

Bisher sorgte der starre Marktmechanismus der EEG-Förderung dafür, dass erneuerbarer Strom unabhängig von der aktuellen Nachfrage eingespeist wird. Allerdings stößt das Erneuerbare-Energien-Gesetz mit seinem in 2012 eingeführten Marktprämienmodell bei negativen Preisen an seine Grenzen. Dieses System bietet zwar Anreize für eine bedarfsgerechtere Einspeisung, musste aber schon 2014 durch die sog. 6-Stunden-Regelung und seit 2021 durch die 4-Stunden-Regel eingeschränkt werden. Diese besagt, dass die Marktprämie für Stunden mit negativen Preisen nicht gezahlt wird, wenn diese Situation länger als vier aufeinanderfolgende Stunden anhält.

Das seit Februar 2025 geltende Solarspitzen-Gesetze schreibt nun vor, dass direkt ab der ersten Stunde negativer Strompreise Erneuerbare-Energien abgeregelt und keine Einspeisevergütungen gewährt werden. Zudem gibt es Diskussionen über eine stärkere Marktorientierung der Förderung, um Anreize für eine flexiblere Produktion zu schaffen. Der Balanceakt ist, noch bessere regulatorischen Maßnahmen zu finden, die den Herausforderungen der Energiewende noch besser entsprechen.

Um die volatile Energieerzeugung auszugleichen und negative Strompreise zu vermeiden, initiierte die Bundesregierung auch das sog. Kraftwerkssicherheitsgesetz. Es soll vor allem bei der Errichtung und Modernisierung von wasserstoffbasierten Kraftwerken unterstützen. Auch Programme, wie „Nutzen-statt-Abregeln“ oder die Förderung der atypischen Netznutzung zielen in die gleiche Richtung.  

Innovationen & Technologien gegen negative Strompreise

Neben den regulatorischen Maßnahmen oder einem neuen Marktdesign gibt es auch noch weitere Lösungsansätze, um das Energiesystem flexibler und effizienter zu gestalten. Insbesondere Investitionen in Energiespeicher wie Batteriegroßspeicher, Pumpspeicherkraftwerke und Power-to-Gas-Anlagen können überschüssigen Strom aufnehmen und bei Bedarf wieder abgeben. Intelligente Stromnetze ermöglichen zudem eine bessere Steuerung und Verteilung der Energie. Sie können Angebot und Nachfrage in Echtzeit aufeinander abstimmen und so die Effizienz des Gesamtsystems erhöhen.

Zusätzlich können Sektorenkopplung (z. B. Nutzung überschüssiger Energie für Wärme oder Verkehr) und eine flexiblere Fahrweise konventioneller Kraftwerke das Problem abmildern. Genauere Prognosemodelle sowie ein verstärkter grenzüberschreitender Stromhandel helfen, Überschüsse besser zu verteilen. Insgesamt gehen Experten davon aus, dass eine konsequente Umsetzung dieser Maßnahmen negative Strompreise reduzieren kann. Dafür sind jedoch erhebliche Investitionen und regulatorische Anpassungen erforderlich, um die Energiewende erfolgreich zu gestalten.

Energiewende ohne negative Strompreise als Ziel

Negative Strompreise sind ein direktes Ergebnis der zunehmenden Einspeisung erneuerbarer Energien in ein System, das ursprünglich für konventionelle Kraftwerke ausgelegt war. Sie verdeutlichen die Notwendigkeit, das Energiesystem weiterzuentwickeln, um eine nachhaltige und wirtschaftliche Stromversorgung zu gewährleisten.

Während regulatorische Maßnahmen wie das Solarspitzen-Gesetz und die Anpassung der EEG-Förderung bereits erste Schritte in Richtung eines flexibleren Marktes darstellen, sind weitere Investitionen in Speichertechnologien, Smart Grids und Sektorenkopplung essenziell. Nur durch eine intelligente Vernetzung von Erzeugung, Verbrauch und Speicherung kann das Stromsystem stabil gehalten werden und langfristig ist eine umfassende Reform des Strommarktdesigns unausweichlich.

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