Grundlegend für die aktuellen Strompreisprognosen ist die Studie „New Energy Outlook 2025“ von BloombergNEF aus April 2025. Sie gilt auch in Expertenkreisen als eines der umfassendsten Modelle. Basierend darauf sind im Laufe des Jahres 2025 neue Veröffentlichungen entstanden, die zusätzlich internationale Commodity- und Marktentwicklungen aufnehmen. Die neuesten Preisdaten, Akzentverschiebungen bei Annahmen sowie die jüngsten politischen Maßnahmen berücksichtigt ein Update der BloombergNEF Studie mit weiteren Quellen, die der „Focus“ Anfang Oktober 2025 veröffentlichte. Alle betrachten dabei einen Zeitraum bis mindestens 2035 und wagen Prognosen zum reinen Börsenstrompreis unabhängig von Stromsteuern, Netzentgelten oder sonstigen Zulagen.
Nach sämtlichen Strompreisprognosen steht Deutschland vor einer Phase stark schwankender Großhandelspreise – zunächst deuten sich Entlastungen bis 2035 an und anschließend rechnen sie mit einem erneuten Anstieg. Sofern die Regulatorik intelligente Rahmen setzt, den Ausbau der Erneuerbaren weiter fördert und das Marktdesign anpasst, könnte sich die Preisvolatilität auf europäischer Ebene nach 2035 allmählich abschwächen. Dies beinhaltet auch den zunehmenden Einsatz von Batteriegroßspeichern und Flexibilitätslösungen zur Steigerung der Netzstabilität.
Kurzfristig: Hohe Preise durch Gas und geopolitische Risiken
Für 2025 erwarten die meisten Strompreisprognosen einen durchschnittlichen Großhandelspreis von rund 80-85 Euro pro Megawattstunde – leicht über dem Vorjahreswert. Hauptursache sind weiterhin hohe Gaspreise und eine volatile geopolitische Lage. Damit bleibt der Strommarkt kurzfristig eng mit fossilen Energieträgern verknüpft, während gleichzeitig der Ausbau erneuerbarer Energien an Dynamik gewinnt. Diverse kurzfristigere Prognosen rechnen daher für 2026 mit relativ stabilen oder gar leicht sinkenden Preisen.
Quelle | Erwarteter Großhandelspreis |
BMWK | 2026: Ø 80 €/MWh |
EZB / Eurosystems | 2026: Ø 73,6 €/MWh |
Kiel Institut für Weltwirtschaft Prognose | 2026: Ø 88 €/MWh |
EU-Kommission | 2026: Ø 81 €/MWh |
Strompreisprognosen erwarten volatile Preise bis 2030
Für den Zeitraum bis 2030 liegen die Prognosen für die Börsenstrompreise realtiv weit auseinander. Begründet wird dies mit unsicheren Annahmen zum Tempo des Ausbaus erneuerbarer Energien, zu Fortschritten bei Speichertechnologien und zum tatsächlichen Strombedarf industrieller Großverbraucher wie Rechenzentren oder der Wasserstoffwirtschaft. Während alle Studien bestätigen, dass zusätzliche Wind- und Solarkapazitäten grundsätzlich preisdämpfend wirken, warnen Branchenanalysten vor dem sogenannten „Cannibalization Effect“. Hier sinken die Großhandelspreise für Strom in Hoch-EE-Phasen zeitweise deutlich, was zwar Verbrauchern kurzfristig nützt, aber neue Investitionen in erneuerbare Anlagen mittelfristig erschweren könnte.
Zudem bleibt der weitere Verlauf der Gaspreise sowie der internationale Emissionshandel entscheidend für die gesamtwirtschaftliche Entwicklung der Strompreise. Die Unsicherheiten führen dazu, dass die Zahlenbandbreite bis 2030 je nach Studie zwischen etwa 50 und 120 €/MWH liegt. Prognos rechnet gar mit Strompreisspitzen in dieser Phase von bis zu 250 €/MWh.
Mittelfristig bis 2035: Erneuerbare drücken Preise – aber mit Risiken
Viele Strompreisprognosen der führenden Marktforschungsinstitute geben zwischen 2030 bis 2035 jedoch Anlass zu vorsichtiger Zuversicht. In den verschiedenen Szenarios wird dank des massiven Ausbaus der erneuerbaren Energien ein Rückgang der Börsenstrompreise erwartet. Die optimistischsten Studien rechnen in dieser Phase sogar mit Börsenstrompreisen von unter 50 €/MWh. Sie gehen davon aus, dass Wind- und Solarenergie zunehmend teurere fossile Energieträger aus der Erzeugung verdrängen. Sollte jedoch der EE-Ausbau hinterherhinken, die Gaspreise steigen und die CO₂-Bepreisung anziehen, errechnen die Experten durchschnittliche Strompreise von bis zu 135 €/MWh.
Der künftige Strompreis hängt daher nicht allein von der Entwicklung der Erneuerbaren ab, sondern maßgeblich auch davon, wie schnell Speichertechnologien und Netzkapazitäten nachziehen und wie regulatorische Rahmenbedingungen die Marktintegration steuern. Hinzu kommt: Preisvolatilität und steigender Strombedarf, etwa durch Sektorenkopplung, Digitalisierung und neue Großverbraucher wie Rechenzentren, könnten ab 2035 wieder für eine Trendumkehr sorgen.
Im Ergebnis zeigen die mittelfristigen Szenarien, dass die Transformation des Energiemarkts zwar zu günstigeren Börsenpreisen führen kann – jedoch nur, wenn flankierende Maßnahmen beim Netzausbau, der Flexibilität und der politischen Steuerung konsequent umgesetzt werden. Andernfalls droht nach der Entlastungsphase eine Phase erneut steigender Preise und verschärfter Volatilität.
Übersicht der langfristigen Strompreisprognosen
Studie / Quelle | Prognosezeitraum | Erwarteter Großhandelspreis | Szenarien / Annahmen |
BloombergNEF (FOCUS Oktober 2025) | 2035 / 2050 | 2035: Ø 47 €/MWh 2050: Ø 92 €/MWh | Hoher EE-Ausbau, später steigende Nachfrage & CO₂-Kosten |
Friedrich-Alexander-Universität Erlangen Nürnberg (Januar 2025) | bis 2030 | 2030 Ø je nach Szenario 50 – 120 €/MWh | Höhere CO₂-Preise (120 €) Höhere Gaspreise (110 €) Mehr Nachfrage (105 €) Zielpfad (85 €) Hoher EE-Zuwachs (68 €) Atom-Revival (50 €) |
Kopernikus-Projekt: Ariadne-Report des BMBF (März 2025) | 2030-2045 | 2030: Ø 82 €/MWh 2035: Ø 70-90 €/MWh je Szenario 2045: Ø 75-78 €/MWh | 2035: lt. Zielpfad (70 €) Fokus Elektrifizierung (90 €) Fokus Wasserstoff (90 €) |
McKinsey – Zukunftspfad Stromnachfrage (Januar 2025) | 2030–2035 | 2035: Ø 65–75 €/MWh | Stabilisierung durch Speicher & Netzausbau |
Agora Energiewende (September 2025) | 2030 | Je nach Szenario 2030: Ø 65-101 €/MWh | Ambitionierter oder weniger ambitionierter EE-Ausbau |
Aurora Energy Research / WWF – Net-Zero Scenario (Januar 2024) | bis 2035 | n. a. (steigende Volatilität erwartet) | Stromnachfrage +70 %, hoher Flexibilitätsbedarf |
Energy Brainpool – EU Energy Outlook 2025 (April 2024) | bis 2060 | 2035: Ø 73 €/MWh (Bandbreite 61–107 €/MWh) | Unsicherheiten durch Geopolitik und Brennstoffpreise |
EWI (September 2025) | 2030-2035 | 2030: High: Ø 135 €/MWh Low: Ø 52 €/MWh | High: Hoher Nachfrageanstieg ohne russischen Energieträgerimporte und verlangsamten EE-Ausbau Low: Einhaltung des Zielpfades |
Prognos im Auftrag der Vereinigung der Bayerischen Wirtschaft (Oktober 2024) | bis 2045 | Bis 2030 äußerst volatil (bis 250 €/MWh möglich) 2030: Ø 54 – 120 €/MWh 2045: Ø 51 – 104 €/MWh | Oberer, mittlerer und unterer Preispfad abhängig von den Erdgaspreisen |
Langfristig: Nach 2035 Rückkehr der steigenden Preise?
Ab 2035 erwarten die langfristigen Strompreisprognosen wieder eine Trendumkehr: Während der starke Ausbau erneuerbarer Energien und der massive Rückgang der Gaskosten zuvor für historisch niedrige Großhandelspreise gesorgt haben, deuten sich für die Jahre nach 2035 wieder leicht steigende Strompreise an. So prognostiziert BloombergNEF als aktuellste Studie einen Anstieg auf über 90 €/MWh bis 2050. Dies entspricht einem jährlichen Anstieg von rund 3 % ab der Mitte der 2030er Jahre. Andere Institute sehen den Börsenstrompreis Mitte der 2040er Jahre zwischen 75 und 104 €/MWh.
Begründet werden die stabileren und langsam steigenden Preise dadurch, dass mit wachsender EE-Integration zukünftig verstärkt Speicher, Flexibilitäten und Netzausbau finanziert werden müssen. Sie fließen in die Preisbildung ebenso ein, wie der Beitrag für flexible Gaskraftwerke zur zusätzlichen Versorgungssicherheit. Gleichzeitig bleibt die Volatilität der erneuerbaren Energien ein Thema. Flexible Verbraucher profitieren zwar von Spotpreis-Tiefs, der Systemwert der Erzeugung schwankt aber deutlich stärker als noch im fossil dominierten Zeitalter
Fazit: Zwischen Preisdruck und Investitionsanreizen
Die aktuellen Strompreisprognosen verdeutlichen: Der Markt steht vor einer Kursrallye zwischen sinkenden und wieder steigenden Preisen. Während BloombergNEF kurzfristig stark fallende Großhandelspreise erwartet, sehen andere Modelle ein höheres Preisniveau – getragen von wachsender Nachfrage, Netzengpässen und geopolitischer Unsicherheit.
Für die Energiewirtschaft bleibt entscheidend, wie gut Politik und Marktmechanismen auf diese Dynamik reagieren. Ein flexibles Marktdesign, ausreichende Investitionsanreize für Batteriegroßspeicher und Netze sowie ein klarer regulatorischer Rahmen werden den Ausschlag geben, ob der europäische Strommarkt in den kommenden Jahrzehnten bezahlbar, stabil und klimaneutral bleibt.