Die Debatte um die Zukunft der Netzentgelte hat begonnen – und sie könnte sich zur größten Reform des Strompreissystems seit der Liberalisierung des Energiemarkts entwickeln. Was bisher als technisches Randthema galt, wird zunehmend zum zentralen Kostenfaktor: Die Netzentgelte drohen zu explodieren, während politische Schutzmechanismen abgebaut und neue Umlagen eingeführt werden. Hintergrund: Die aktuelle Stromnetzentgeltverordnung (StromNEV) läuft zum 31.12.2028 aus – und mit ihr zahlreiche Sonderregelungen, etwa nach § 19 StromNEV, wie das Bandlastprivileg oder die atypische Netznutzung. Bereits ab 2026 sollen dazu Übergangsregelungen greifen. Die Bundesnetzagentur (BNetzA) hat die Debatte zur Réforme des tarifs du réseau électrique gerade eröffnet.
Die Stromkosten für Unternehmen steigen – nicht trotzmais wegen der Energiewende.
Die Netzentgelte entwickeln sich zum wichtigsten Kostentreiber
Bereits heute machen die Netzentgelte rund ein Drittel des industriellen Strompreises aus. Doch das ist erst der Anfang:
- Über 700 Milliarden Euro beträgt laut aktuellen Schätzungen der Finanzierungsbedarf für den Netzausbau bis 2045.
- Die Universität zu Köln prognostiziert eine mindestens Verdopplung der Netzentgelte bis dahin. Erste Szenarien sprechen von:
- 15 Cent/kWh für die Mittelspannung
- über 18 Cent/kWh für die Niederspannung
Das ist eine Verdreifachung gegenüber heutigen Durchschnittswerten in vielen Regionen.


Abschied von der StromNEV – und von allen bekannten Privilegien
Die aktuelle Stromnetzentgeltverordnung (StromNEV) läuft zum 31.12.2028 ersatzlos aus. Besonders betroffen: energieintensive Unternehmen, die bisher von Sonderregelungen wie § 19 StromNEV (Utilisation atypique du réseau, Charge de la bande bzw. 7.000-Stunden-Regelung) profitiert haben. Diese Privilegien entfallen bis spätestens 2026 – ohne dass ein neues, verlässliches System bereitstünde.
Die Bundesnetzagentur diskutiert aktuell offen über ein vollständig neues Entgeltsystem. Klar ist dabei:
- Le site EU-Kommission untersagt künftig netzentgeltliche Ausnahmen ohne klaren Systemnutzen.
- Rabatte aus rein industriepolitischen Gründen – etwa zur Standortförderung – sind explizit unzulässig.
- Selbst die bisherige „Besondere Ausgleichsregelung“ (BesAR) nach EnFG – mit jährlicher Entlastung von 5 Mrd. € – läuft 2027 aus.
Dazu kommen neue Belastungen & Kompensationen
Stromkostensteigerung ist kein hypothetisches Risiko mehr – sie ist Realität und gesetzlich verankert:
- Neue Umlage durch das Kraftwerkssicherheitsgesetz (KWSG): + ca. 2 Cent/kWh
- Wegfall des Spitzenausgleichs (§ 10 StromStG / § 55 EnergieStG): + 1,5 Mrd. €/Jahr Belastung
- Die angekündigte Stromsteuersenkung auf das EU-Minimum (0,05 ct/kWh) ist unklar und soll nur für das produzierende Gewerbe greifen – andere Unternehmen bleiben außen vor.
- Und: Diese Senkung soll befristet sein – im Anschluss droht ein Rückfall auf 2,05 ct/kWh
Was die Bundesnetzagentur plant und was (noch) nicht sicher ist
Seit Mai 2025 diskutiert die Bundesnetzagentur offen über die zukünftige Struktur der Netzentgelte. Im Raum stehen tiefgreifende Veränderungen:
- Abkehr vom reinen Verbrauchsprinzip: Zukünftig könnten pauschale Grundpreise, Kapazitätsentgelte oder netzbezogene Nutzungsgebühren eingeführt werden.
- Einbindung von Einspeisern in die Netzkosten – aktuell zahlen nur Letztverbraucher.
- Rétributions dynamiques du réseau mit tageszeit- oder ortsabhängiger Bepreisung als Fernziel.
- Spezialregelungen für Speicher und Prosumermodelle.
Doch eines ist klar: Die heutige Netzentgelt-Logik wird es nicht mehr geben. Und ein neues, tragfähiges Modell wird erst ab 2029 greifen – sofern der Reformprozess planmäßig verläuft.
Unternehmen müssen sich auf höhere Stromnebenkosten einstellen
Die nächste große Welle der Strompreissteigerungen kommt – nicht durch den Markt, sondern durch Regulierung. Während viele Unternehmen versuchen, ihre Strombeschaffung zu optimieren, geraten sie bei Steuern, Umlagen und Netzentgelten zunehmend in eine Kostenfalle.
Was Sie jetzt tun sollten:
- Investitionen in Eigenversorgung, Speicher und Flexibilität prüfen
- Strombezug und Netznutzung auf ein Minimum begrenzen
- Stromnebenkosten im Energiecontrolling stärker gewichten
- Ausstieg aus § 19-Vergünstigungen strategisch vorbereiten
- Regulatorische Entwicklungen aktiv beobachten
Der Umbau der Energiewirtschaft ist notwendig – aber er wird nicht kostenlos sein. Für Unternehmen heißt das: Strom wird planbar teurer.