The Übertragungsnetzbetreiber (ÜNB) sind eine zentrale Säule des deutschen Energiesystems. Sie betreiben das Höchstspannungsnetz, also die „Autobahnen des Stroms“ und stellen sicher, dass Elektrizität jederzeit verlässlich über weite Entfernungen von den Erzeugungsanlagen zu den Verteilnetzen gelangt. Die Betreiber verbinden mit ihren Netzen nicht nur die Regionen innerhalb Deutschlands, sondern sind auch mit den Stromsystemen angrenzender Länder verknüpft und bilden damit ein Kernelement des europäischen Binnenmarktes für Elektrizität.
Die Energiewende verstärkt diese zentrale Funktion noch. Während die Anteile von Wind- und Solarstrom wachsen, müssen Transportkapazitäten ausgebaut and the Systemstabilität jederzeit gewährleistet werden. Ohne eine leistungsfähige Übertragungsinfrastruktur lassen sich weder die Klimaziele noch die Security of supply erreichen. Daher nehmen die Übertragungsnetzbetreiber heute eine weit größere Rolle ein als reine Netzdienstleister: Sie sind Gestalter eines Stromsystems im Umbruch, das auf mehr Flexibilität, internationale Zusammenarbeit und den beschleunigten Netzausbau angewiesen ist.
Aufgaben der Übertragungsnetzbetreiber
Die Kernaufgabe der Übertragungsnetzbetreiber besteht darin, das Stromnetz sicher, stabil und leistungsfähig zu betreiben. Dabei übernehmen sie zahlreiche Funktionen, die für das Funktionieren der Energieversorgung unverzichtbar sind:
Betrieb & Ausbau des Höchstspannungsnetzes
Übertragungsnetzbetreiber planen, betreiben und erweitern das Stromnetz auf Höchstspannungsebene (220 und 380 Kilovolt). Sie stellen sicher, dass ausreichend Transportkapazitäten vorhanden sind, um Strom aus Erzeugungszentren zu den Verbrauchsschwerpunkten zu leiten.
Gewährleistung der Netzstabilität
Damit in ganz Europa die Netzfrequenz konstant bei 50 Hertz bleibt, überwachen ÜNB das Stromnetz in Echtzeit. Bei Schwankungen greifen sie ein, indem sie Control energy aktivieren oder Lasten verschieben.
Integration of renewable energies
Wind- und Solarstrom speisen oft unregelmäßig ein. Übertragungsnetzbetreiber müssen diese fluktuierenden Einspeisungen in das Netz integrieren und gleichzeitig für Versorgungssicherheit sorgen.
Engpassmanagement & Redispatch
Wenn das Netz an seine Grenzen stößt, organisieren ÜNB sogenannte Redispatch-Maßnahmen. Dabei werden Kraftwerke hoch- oder heruntergefahren, um Überlastungen zu vermeiden.
Internationaler Stromaustausch
Über grenzüberschreitende Leitungen sind die deutschen Übertragungsnetze eng mit den Nachbarländern verbunden. Das ermöglicht Stromhandel in Europa und erhöht die Versorgungssicherheit.
Die vier Übertragungsnetzbetreiber in Deutschland
Das deutsche Höchstspannungsnetz wird von vier Übertragungsnetzbetreibern betrieben. Jeder von ihnen verantwortet eine eigene Region und bringt spezifische Schwerpunkte in den Netzausbau und -betrieb ein.
50Hertz Transmission ist vor allem für den Nordosten Deutschlands zuständig. Der Übertragungsnetzbetreiber hat einen besonders hohen Anteil erneuerbarer Energien in seinem Netzgebiet, insbesondere aus Windkraftanlagen an Land und auf See. Eigentümer sind mehrheitlich der belgische Netzbetreiber Elia sowie die deutsche Förderbank KfW.
Amprion betreibt das Netz in West- und Südwestdeutschland und versorgt damit eines der größten industriellen Ballungszentren Europas. Das Unternehmen steht vor der Herausforderung, den hohen Strombedarf von Industrie und Ballungsräumen mit dem Netzausbau in Einklang zu bringen. Eigentümer sind vor allem deutsche Beteiligungsgesellschaften, darunter Versicherungen und Fonds.
TenneT verbindet den Norden mit dem Süden Deutschlands und ist stark auf die Integration von Offshore-Windkraft spezialisiert. Der Übertragungsnetzbetreiber realisiert zentrale Nord-Süd-Trassen, die für die Energiewende entscheidend sind. TenneT gehört vollständig dem niederländischen Staat, der jedoch Anteile veräußern möchte. Die Bundesrepublik Deutschland scheiterte im Jahr 2024 an einer Beteiligung. Ein neuer Versuch ist allerdings für 2026 geplant.
TransnetBW verantwortet das Netz in Baden-Württemberg. Durch die hohe Dichte an Industrieunternehmen in der Region spielt Versorgungssicherheit hier eine besonders große Rolle. TransnetBW ist eine Tochtergesellschaft der EnBW Energie Baden-Württemberg AG.

Rechtlicher & regulatorischer Rahmen
Die Übertragungsnetzbetreiber arbeiten in einem stark regulierten Umfeld. Ihre Aufgaben und Befugnisse sind im Energiewirtschaftsgesetz (EnWG) sowie in europäischen Vorgaben festgelegt. Ziel ist es, ein diskriminierungsfreies, effizientes und stabiles Stromnetz zu gewährleisten, das allen Marktteilnehmern gleichermaßen offensteht.
Eine zentrale Rolle spielt dabei die Federal Network Agency. Sie überwacht die Netzentgelte, genehmigt Investitionspläne und stellt sicher, dass die Übertragungsnetzbetreiber ihre Aufgaben im Sinne der Allgemeinheit erfüllen. Auch der Netzausbau wird von der Behörde eng begleitet – etwa durch die Genehmigung des Netzentwicklungsplans, der regelmäßig fortgeschrieben wird und den Bedarf an neuen Leitungen sowie Netzverstärkungen aufzeigt.
Darüber hinaus ist der deutsche Strommarkt eng in den europäischen Binnenmarkt eingebunden. Die rechtlichen Grundlagen bilden insbesondere die EU-Elektrizitätsbinnenmarktrichtlinie und -verordnung, die Teil des Clean Energy Package sind. Sie schaffen den Rahmen für einen einheitlichen Strommarkt, regeln die Pflichten der Übertragungsnetzbetreiber und fördern die Marktintegration erneuerbarer Energien.
Hinzu kommen technische Vorgaben in Form von sogenannten Netzkodizes und Leitlinien, die europaweit verbindlich sind. Dazu gehören etwa die System Operation Guideline and the Network Code on Emergency and Restoration für den sicheren Netzbetrieb, Regelungen zum diskriminierungsfreien Netzzugang (Capacity Allocation and Congestion Management) oder technische Anforderungen für Erzeugungsanlagen (Requirements for Generators).
Koordiniert werden diese Vorgaben von zwei zentralen Institutionen:
- ENTSO-E (European Network of Transmission System Operators for Electricity) vernetzt alle europäischen Übertragungsnetzbetreiber, erstellt Netzentwicklungspläne auf EU-Ebene und entwickelt technische Standards.
- ACER (Agency for the Cooperation of Energy Regulators) fungiert als europäische Regulierungsbehörde. Sie überwacht die Umsetzung der Vorgaben, stimmt nationale Regulierungsbehörden ab und sorgt für einheitliche Marktregeln.
Ein weiterer zentraler Aspekt ist das sogenannte Unbundling: Netzbetrieb und Energieerzeugung beziehungsweise -vertrieb müssen strikt voneinander getrennt sein. Diese Vorgabe soll verhindern, dass Netzbetreiber ihre Stellung im Energiesystem nutzen, um den Wettbewerb zu verzerren. Für die Übertragungsnetzbetreiber bedeutet dies, dass sie unabhängig agieren und sich ausschließlich auf Betrieb, Ausbau und Stabilität des Netzes konzentrieren dürfen.
Herausforderungen für Übertragungsnetzbetreiber
Die Energiewende verändert das Stromsystem grundlegend – und stellt Übertragungsnetzbetreiber vor neue, komplexe Aufgaben. Eine der größten Herausforderungen ist der Grid expansion: Erneuerbare Energien werden häufig in Regionen erzeugt, die weit von den Verbrauchsschwerpunkten entfernt liegen. Damit Strom aus Nord- und Ostdeutschland zuverlässig in die Industriezentren Süddeutschlands gelangt, müssen leistungsfähige Nord-Süd-Trassen gebaut werden. Projekte wie SuedLink oder SuedOstLink sind dafür von zentraler Bedeutung, stoßen jedoch teilweise auf Akzeptanzprobleme in der Bevölkerung.
Neben dem Ausbau bleibt die Sicherung der Grid stability eine Kernaufgabe. Da Wind- und Solarstrom witterungsabhängig einspeisen, müssen Schwankungen im Netz ausgeglichen werden. Dafür setzen Übertragungsnetzbetreiber auf Control energy, Redispatch-Maßnahmen und zunehmend auch auf flexible Verbraucher sowie Speichersysteme.
Another challenge is the Digitalisierung and Cybersicherheit. Intelligente Mess- und Steuerungssysteme ermöglichen zwar einen effizienteren Netzbetrieb, machen die kritische Infrastruktur jedoch auch anfälliger für IT-Angriffe. Der Schutz vor Cyberrisiken gewinnt deshalb kontinuierlich an Bedeutung.
Darüber hinaus müssen Übertragungsnetzbetreiber das Energiesystem fit für die Zukunft machen: Large-scale battery storage, Power-to-X-Technologien und Wasserstoffinfrastrukturen sollen künftig eng mit dem Stromnetz gekoppelt werden. Das erfordert neue Planungsansätze und Investitionen, um die wachsende Komplexität beherrschbar zu halten.
Auswirkungen auf Unternehmen
Die Arbeit der Übertragungsnetzbetreiber wirkt sich nicht nur auf das Energiesystem insgesamt, sondern auch direkt auf Unternehmen aus. Über die Grid charges, die von der Bundesnetzagentur reguliert werden, tragen alle Stromkunden die Kosten für Betrieb, Wartung und Ausbau des Höchstspannungsnetzes. Der Anteil dieser Entgelte liegt zurzeit bei etwa 40 % des Gesamtstrompreises, mit steigender Tendenz. Sie sind damit ein wichtiger Faktor für die Wettbewerbsfähigkeit von Unternehmen.
Für die Industrie spielen Übertragungsnetzbetreiber zudem eine Rolle beim Lastmanagement des Stromnetzes. Flexible Verbraucher, die ihre Stromnachfrage an die Netzsituation anpassen können, leisten einen Beitrag zur Stabilität des Gesamtsystems und profitieren in manchen Fällen von reduzierten Netzentgelten. Besonders für energieintensive Betriebe ist dies ein relevanter Aspekt der Kostensteuerung.
Ausblick
Die Rolle der Übertragungsnetzbetreiber wird in den kommenden Jahrzehnten noch bedeutender werden. Der Umbau des Energiesystems hin zur Klimaneutralität bis 2045 erfordert enorme Investitionen in die Netzinfrastruktur. Allein für den Stromsektor rechnen Prognosen mit Gesamtkosten von rund 731 Milliarden Euro. Davon entfallen etwa 430 Milliarden Euro auf den Ausbau der Übertragungsnetze and more 301 Milliarden Euro auf die Verteilnetze. Diese Summe liegt rund 176 Milliarden Euro über den bisherigen Schätzungen der Bundesnetzagentur, die noch von insgesamt 555 Milliarden Euro ausgegangen war.
Parallel dazu wird der Stromverbrauch in Deutschland deutlich steigen. Während aktuell noch rund 550 Terawattstunden pro Jahr verbraucht werden, gehen Studien für 2030 von mindestens 620 TWh bis über 800 TWh aus. Gründe dafür sind die Elektrifizierung von Industrieprozessen, der Hochlauf der Elektromobilität, Rechenzentren sowie der wachsende Bedarf an Wasserstoffproduktion.
Für die Übertragungsnetzbetreiber bedeutet dies zweierlei: Einerseits müssen sie den Netzausbau massiv beschleunigen und zugleich Akzeptanz für neue Leitungen schaffen. Andererseits sind innovative Lösungen gefragt, um Netzbetrieb und Stabilität auch in einem deutlich komplexeren und stärker elektrifizierten Energiesystem sicherzustellen.
Damit ist klar: Die Übertragungsnetzbetreiber werden zu einem der entscheidenden Akteure der Energiewende. Ihre Leistungsfähigkeit bestimmt maßgeblich, ob Deutschland seine Klimaziele erreicht und die Stromversorgung auch in Zukunft bezahlbar und sicher bleibt.